Auf ein Glas Mostello mit … Reinhard Pohorec
Farthofer: Als Barkeeper, Coach, Genussexperte und Journalist hast Du für uns einige Mostello-Verkostungen organisiert und moderiert. Für uns Produzenten ist es ja sehr wertvoll, wenn unsere Erzeugnisse von Experten mit internationalem Blick kommentiert werden. Du hast Dich mittlerweile auf Sensorik fokussiert. Was versteht man unter Multisensorik und Experience Design genau?
Pohorec: Mein ganzes Leben ist geprägt von der Liebe und Wertschätzung zu ehrlichen, handwerklichen Produkten, die uns zusammenbringen und uns Genussmomente eröffnen. Ich bin in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsen und habe dieses Bewusstsein wohl in die Wiege gelegt bekommen, aber erst später in meinem Leben wiederentdecken dürfen.
Unsere Sinne sind Instrumente, die uns allen von Geburt an geschenkt sind. Es sind die Werkzeuge, mit denen wir jeden Tag durch den Alltag gehen und die Welt um uns wahrnehmen. Gerade in Zeiten der digitalen Transformationen scheinen wir jedoch mehr und mehr den Bezug zu unserem Sensorium zu verlieren, die Achtsamkeit für unsere Sinnlichkeit zu vergessen. Daher ist es meine Mission andere Menschen neu für ihre sensorischen Qualitäten zu begeistern, so dass wir aufmerksam, wertschätzende und wachen Geistes durch das Leben gehen.
Es ist stets faszinierend für mich, dass unsere Instrumente, welche wir oft singulär betrachten, Teil eines multi-sensorischen Orchesters sind. Nur wenn diese wohldirigiert zusammenspielen ergibt sich der Wohlklang dieser sinnlichen Symphonie. Düfte, Klänge, Bilder, haptische Eindrücke und Geschmäcker spielen allesamt zusammen und interagieren sehr stark miteinander, respektive beeinflussen sie einander. Wer denkt schon darüber nach, dass eine Farbe unser Süße-Empfinden verändert, dass Klänge sich auf Haptik oder Duft auswirken?
Alles ist Erlebnis. Erlebnis ist Wahrnehmung, und Wahrnehmung geschieht durch unsere Sensorik. Was zunächst wie ein passiver Prozess klingt, lässt sich aktiv gestalten – sprich Erlebnisse müssen inszeniert werden.
Meine Aufgabe als Erlebnisdesigner ist es genau diese Momente zu kreieren, ganzheitliche Konzepte zu entwickeln, die auf einer stringenten Philosophie aufbauen. Ob als Individuum, als Produkt, Marke oder ganze Unternehmung: wir müssen stimmige Botschaften aussenden, die auf klar definierten Werten fußen, eine ehrlich-herzliche Unternehmenskultur zu Grunde haben und den Rezipienten auf allen Ebenen „berühren“.
Jedes Produkt und jede Dienstleistung ist heute austauschbar geworden, was jedoch einzigartig bleibt, uns vom Mitbewerb abhebt und nachhaltigen Erfolg sichert, ist ganzheitliche Erlebnisse zu bieten.
Farthofer: Du kennst den Spirituosenmarkt sehr gut. Versteht man sie besser, wenn man selber auch erzeugt, wie in Deinem Fall Wiener Vermouth, Absinth und Weinbrand?
Pohorec: Unbedingt! Ich will stets alle Bereiche, in denen ich tätig bin, holistisch verstehen und von allen Seiten beleuchten. Nur wenn ich selbst aktiv auf allen Ebenen tätig bin, wenn ich alle Teile der Kette kennengelernt und selbst umgesetzt habe, kann ich Prozesse verstehen, profunde Aussagen treffen, Produkte entwickeln und meine Kunden beraten.
Gerade heute, wo nahezu jede Information eine Google-Suchanfrage entfernt ist, sind gefährliches Halbwissen und oberflächliche Auseinandersetzungen zur Norm geworden. Dem will ich entgegentreten mit Gewissenhaftigkeit, Ehrlichkeit und Tiefe.
Bezug nehmend auf das, was ich eingangs über meinen Familienhintergrund erwähnt habe, war es stets mein Herzenswunsch, ein eigenes Produkt zu schaffen. Das Gefühl, eine Flasche in Händen zu halten, zu wissen, dass man jeden Arbeitsschritt selbst vollzogen und mit Schweiß, Herzblut und viel Hingabe etwas geschaffen hat, ist bewegend.
Farthofer: Du hast Volkswirtschaftslehre studiert, Josef Wirtschaftspädagogik. Welche Inhalte aus Deinem Studium kannst Du in Deinem jetzigen Beruf anwenden?
Pohorec: Mein Weg war immer von Vielfalt geprägt. Ich habe sehr früh zu arbeiten begonnen und als Beinahe-Profimusiker, Sozialarbeiter oder Schilehrer wertvolle Erfahrungen gesammelt. Jeder einzelne Baustein und jeder Schritt meines Weges ist eine Quelle der Inspiration, ein entscheidender Baustein des größeren Ganzen und prägt mein Tun. Auch das Studium ist dabei ein essentieller Bestandteil, wenngleich ich nicht notwendigerweise einen universitären Bildungsweg für notwendig halte, um langfristig erfolgreich zu sein. Ich lese permanent vier bis fünf Bücher gleichzeitig, suche Anregungen und wertvolle Gedanken in Weiterbildungen, philosophischen Gesprächen, bei internationalen Reisen und mit einem ständigen, unzubändigenden Wissensdurst. Das macht Leben für mich aus.
Farthofer: Du verbrachtest lange Zeit in London – in der American Bar, in der City of London Distillery und bei den London Bar Consultants. Welche Erfahrungen von damals hast Du in der Wiener Boutique Bar Tür 7 einfließen lassen?
Pohorec: Meine Zeit in London war lebensverändernd. Die Vielfalt, Dynamik und Professionalität der Stadt – sowie besonders seiner Hospitality Szene – ist elektrisierend. Selten habe ich ein so hohes Maß an Exzellenz, Qualitätsanspruch, Servicestandards und Innovation erlebt. Freilich ist auch in London, New York oder Singapur nicht alles gold was glänzt, aber das generelle Niveau ist ungemein hoch. Da muss man mitziehen, oder man geht heillos unter.
Was mich mein buntes Tätigkeitsfeld in London aber besonders gelehrt hat, ist meine Begeisterung für unternehmerisches Schaffen, dass meine diversifizierte und interprofessionelle Herangehensweise der Weg in die Zukunft ist, und dass ich als unabhängiger Experte vielen Menschen und Branchen Wert bringen kann.
Farthofer: Worauf dürfen sich Gäste in der Bar Tür 7 nach Corona freuen?
Pohorec: Die Tür 7 ist ein wundersamer Ort, wo man Zeit und Raum vergisst. Es ist wie eine Wohnzimmer, ein sicherer Hafen, wo alles andere vor der Türe bleibt. Unser Anspruch und Angebot hat sich dabei nicht verändert, es geht um ein Erlebnis, ein Gefühl der Gastlichkeit, des Willkommen seins, und all das bei einem guten Getränk und einem guten Gespräch. Freilich drehen wir stets an den Stellschrauben um den Gästen noch feinere und exquisitere Momente bieten zu können.
Farthofer: In letzter Zeit widmest Du Dich auch stark dem Thema Zigarren. Was sind hier die Trends?
Die Zigarre war stets Teil meines Genusslebens. So traditionell und altbacken diese Welt manchmal wirken mag, so ist die handgemachte Premium Zigarre in meinen Augen doch das perfekte Produkt für unsere Zeit. Sie lehrt uns Wertschätzung, Achtsamkeit und Aufmerksamkeit für den Moment, für das kostbare Gut Zeit, für Miteinander und hochqualitativen Austausch. Eine Zigarre ist nie eine Zigarre, sie ist ein Blickfenster in die Herzen und Seelen jener Menschen, die dahinter stehen, die ihr ganzes Leben für diese Kunstfertigkeit und Kultur hingeben. Kein anderes Produkt schafft so viel Gemeinsamkeit, Leidenschaft, Verbundenheit und Emotion, wie die Premium Zigarre.
Farthofer: Welche Spirituose werden wir im Sommer 2022 trinken? Was sagt hier das Trendradar?
Die wichtigsten Trends in meinen Augen sind: alkoholfreie Produkte, niederprozentige, erfrischend-spritzige Drinks, die aber dennoch 100 % Geschmack bieten. Außerdem hat die Pandemie ein neues Bewusstsein für Daheim-Genuss, Convenience und Ready-to-drink Lösungen geschaffen. Das wird uns noch länger begleiten und erhalten bleiben.
Farthofer: Zahlreiche Attribute küren Dich: Weltjüngster Cognac Educator, Sherry Educator, Kikisake-Shi, World Class Bartender und Certified Advisor of Spirits. Was wird Deine nächste Ausbildung sein?
Ich gebe nicht viel auf Sternchen und Kekschen, ich bin auch kein Titelsammler. Ich gehe mit Herz (und ein bisschen Hirn), mit viel Leidenschaft und Begeisterung an alle Projekte und Aufgaben. Wenn sich dabei ab und an eine solche Auszeichnung ergibt, freue ich mich natürlich.
What’s next? Ich schließe nach meinem Business Rhetorik Diplom gerade die Zertifizierung zum Business Rhetorik Coach. Die Themen Erlebniskommunikation und Moderation begeistern mich sehr und gehen Hand in Hand mit all meinen anderen Konzepten, Ideen und Projekten.
Farthofer: Mit welchem Produkt aus unserem Hause würdest du gerne mit uns anstoßen? Was sticht dir da ins Auge?
Mostello – für mich ein Gamechanger und ein wunderbares Produkt, das den Zeitgeist trifft, dass Innovation verheißt und Genuss bringt.