Auf ein Glas Zitronenlikör … mit Katharina Seiser

Für diese Ausgabe von unserer Serie „Auf ein Glas mit …“ freuen wir uns auf das Interview mit Katharina Seiser. Die österreichische Kulinarik-Journalistin (www.esskultur.at) und Kochbuch-Autorin lebt in Wien und schreibt seit 2001 übers Essen. Bis dato hat sie 17 Kochbücher als Autorin, Co-Autorin und Herausgeberin veröffentlicht, darunter mehrere Bestseller wie „immer schon vegan“ (10. Auflage 2021), dem im Herbst 2020 erschienenen Nachfolger „immer wieder vegan“ (2. Auflage 2021) und „österreich vegetarisch“ (8. Auflage 2021), viele davon mit Kochbuchpreisen ausgezeichnet.

Farthofer: Was uns verbindet, ist die Begeisterung für seltene, geschmackvolle Sorten und das Zubereiten selbiger. Du hast von uns schon öfter Rum, Gin, Mostello und zuletzt Getreidereis bezogen und damit in deiner Küche experimentiert, z. B. Kohlrouladen mit Emmerreis-Maronifülle und Salzzitronen-Zellersauce oder Buchteln mit Kanarimilch mit unserem Rum. Besonders gut gefiel dir kürzlich unser Zitronenlikör, für den wir Bio-Zitronen aus Sizilien beziehen. Zitronen und du. Bitte erkläre uns diese spezifische Liebe.

Seiser: Ich kann den Ursprung der Zitrusliebe nicht benennen, aber ich liebe sie seit meiner Kindheit. Es gibt für mich keinen erhebenderen Duft als jenen von den eher „sauren“ oder herberen Zitrusfruchtschalen wie Zitrone oder Meyerzitrone, Yuzu, Grapefruit oder Pomeranze. Ich liebe die Aromen dieser Zesten, des Abriebs und die Säure, Frucht und manchmal Bitterkeit ihres Saftes. Als ich dann vor etwa einem Jahrzehnt die Zitrussammlung der österreichischen Bundesgärten in Schönbrunn kennenlernen und seither schon oft in Verkostungen und Workshops damit arbeiten durfte, bin ich sowieso im Zitrushimmel. Es gibt in meiner Küche außer im Hochsommer, wenn wirklich keine Saison ist, fast keine Mahlzeit ohne Zitrus. Und selbst im Sommer habe ich zum Glück immer noch mein Glas Salzzitronen im Kühlschrank, die übrigens ganz besonders gut zu gegrillten, gehäuteten Paprika passen. Und eine kandierte Pomeranzen- oder Meyerzitronenschale zum Espresso findet sich auch immer in unserer Speis.

Blog Interview Katharina Seiser - Destillerie Farthofer
Blog Interview Katharina Seiser - Destillerie Farthofer

Farthofer: Du hast bereits 17 wunderbare Kochbücher geschrieben, als Autorin, Co-Autorin und Herausgeberin. Was ist der zäheste Abschnitt im Laufe des Entstehens?

Seiser: Das eigentliche Transferieren von meinen handschriftlichen Notizen aus der Entwicklung des Rezeptes (oft in mehreren Stadien/Versionen) in den Computer. Denn da können bei so vielen Zahlen (für Mengen, Verhältnisse, Temperaturen, Zeiten) und Zubereitungsschritten natürlich in jedem Rezept zig Fehler passieren. Da mein persönlicher Ehrgeiz aber bei jedem Rezept ist, dass in der Küche bei der Leserin, dem Leser keine Fragen auftauchen, sondern alle möglichen Unklarheiten schon vorab von mir im Rezept beantwortet worden sein sollen, formuliere ich sehr genau. Und je genauer man beschreibt, desto mehr Fehlerquellen entstehen. Jemand schenkt aber meinem Rezept und damit mir Vertrauen, vertraut mir in der Zubereitung einer Mahlzeit, vielleicht für die ganze Familie. Drum kommt nach dem Festhalten des Rezeptes die lange Phase des „Manuskript putzens“, wie ich sie nenne, ein immer und immer wieder Lesen, Verbessern, klarer Formulieren. Eine sehr einsame Arbeit, die hohe Konzentration erfordert.

Farthofer: Welches Gericht ist für dich comfort food?

Seiser: Das ist bei mir extrem saisonabhängig und kann wie gerade diese Woche eine Handvoll Walderdbeeren genauso sein wie ein perfekter Ofenkarfiol mit einer Art Gremolata beim Daberer in Kärnten oder die erste Vignarola des Jahres, ein Ragout aus frischen Marchfelder Artischocken, Erbsen, Favabohnen und Minze. Viel Olivenöl, viel richtig gutes Weißbrot. Comfort Food ist bei mir aber beinahe jede Mahlzeit, wenn ich sie selbst zubereite, weil ich ja ausschließlich nach Gusto und Saison esse. Ein riesengroßer Luxus, wobei sich der Luxus, das zu essen, worauf man wirklich Gusto hat, auch erlernen und erlauben lässt (und nicht nur vom Geldbörsl abhängt, by the way). Gusto hat bei mir fast immer mit Säure/Frische, Konsistenzen (knusprig und/oder knackig) und gutem Fett zu tun, also sind beinahe alle Gerichte, die diese Aspekte berücksichtigen, Comfort Food.

Farthofer: Welche drei Lebensmittel verdienen aktuell deiner Ansicht nach mehr Aufmerksamkeit?

Seiser: Gute Frage, aber ganz sicher Linsen, weil sie als pflanzliche Eiweißlieferanten unglaublich vielseitig und aromatisch sind, die am einfachsten zuzubereitenden Hülsenfrüchte und zugleich gut verdaulich. Allein der Duft beim Garen fasziniert mich jedes Mal, diese verheißungsvolle pfeffrige Würze! Außerdem Getreidesorten wie Hafer, Gerste und Roggen. Letzterer gerät für mein Gefühl immer mehr ins Hintertreffen. Da könnte man noch viel mehr machen. (Aber halt immer auf Sauerteig-Basis, weil er sonst nicht gut verdaulich ist. Den aktuellen Trend, mit Roggenmehl ohne Versäuerung z. B. auch Kuchen zu backen verstehe ich nicht. Das haben wir doch in der Menschheitsgeschichte längst gelernt, da müssen wir nicht zurück zum Start.) Und dann: echt saisonales Obst. Nichts ist in Österreich schwieriger zu bekommen als richtig reifes Obst von wirklich gut schmeckenden Sorten. Das brauche ich euch ja nicht zu erzählen ;-)

Farthofer: Hat sich dein Business seit Corona verändert?

Seiser: Nein. Ich hatte Glück. Das Schreiben (von Rezepten, Büchern, Kolumnen) und Reden (im TV) übers Essen hatte ja gerade während der Lockdowns und kontaktarmen Phasen Hochkonjunktur.

Farthofer: Vegetarisch oder vegan?

Seiser: Weder noch. Ich bin wahnsinnig dankbar für die riesige Vielfalt an Lebensmitteln, aus der wir hier in Österreich jeden Tag wählen können. Ich esse zwar sehr oft vegetarisch oder auch rein pflanzlich, allein schon deshalb, weil wir nun schon das elfte Jahr einen Ernteanteil vom Gärtnerhof Ochsenherz haben, also jede Woche hervorragendes saisonales Gemüse aus biodynamischem Anbau, aber grundsätzlich esse ich alles, wenn es aus ordentlichen Zutaten frisch zubereitet wurde. Nur ist mir wichtig: bei tierischen Produkten möglichst nur von im Freiland nach mindestens Bio-Richtlinien gehaltenen Tieren. Bio ist bei allen Lebensmitteln für mich sowieso die Norm und Grundlage, nicht die Ausnahme. Um zu zeigen, dass das sehr wohl mit Genuss möglich ist, verwende ich gerne und oft #allesbio bei meinen Postings auf Social Media. Aber nur dann, wenn es für das gezeigte Gericht wirklich stimmt.

Blog Interview Katharina Seiser - Destillerie Farthofer

Farthofer: Oper oder Musical?

Seiser: Oper, logisch, mein Mann ist Opernsänger ;-)

Farthofer: Oberösterreich oder Wienerisch?

Seiser: Ich kann und will meine Traunviertler Herkunft ebenso wenig leugnen, wie ich das Wienerische liebe. Wär‘ fad, wenn wir alle gleich reden tätaten.

Farthofer: Kommen wir abschließend zur „seisernalen Warenkunde“. Was ist die häufigste Frage, die du bezüglich Lebensmitteln gestellt bekommst?

Seiser: Ganz klar: Ob Bio wirklich besser ist. Long story short: eh klar. Aber ich bin immer dankbar für die Frage und echtes Interesse, denn ich kann das auch gern ausführlich argumentieren, je nach Publikum und Zeitbudget. Zweithäufigste Frage: Ob wir zuhause wirklich jeden Tag kochen? Das erstaunt mich dann doch immer wieder, denn: wie sonst soll ich zu dem Essen in der Qualität kommen, die mir wichtig ist? „Kochen“ kann aber grade im Sommer auch bedeuten: Wilde, reichhaltige Salate aller Art, mit viel saftigem Gemüse, Knack und Knusper, sorgfältig abgeschmeckten Dressings, jedes Mal anders, jedes Mal eine Freude.

Farthofer: Vielen Dank für das Gespräch mit Dir!

Seiser: Danke für die guten Fragen, die mich selbst zum Nachdenken brachten!

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